Regie: Ingmar Bergmann
Kamera: Sven Nykvist
Schnitt: Sylvia Ingemarsson
Opus Magnum
laterna magica
"Fanny und Alexander" war der letzte Kinofilm von Ingmar Bergman und sein Opus Magnum.
Liebe / Religion / Tod / Mystik als große Lebensfragen sind in diesem Familienepos mit autobiografischen Zügen Ingmar Bergmans Kindheit betreffend, auf magische und vielschichtige Art und Weise verknüpft.
Bis dahin kannte ich einige der gedrehten Filme von Ingmar Bergman, die in den DDR Kinos und auch im Fernsehen der DDR gezeigt wurden. "Wilde Erdbeeren", "Persona", "The Touch" und vor allem "Szenen einer Ehe" sind mir noch in guter Erinnerung, später führte ich in Klubkinos "Das siebte Siegel", "Abend der Gaukler", "Die Jungfrauenquelle" und "Das Schweigen" auf. Eine Anekdote gibt es aus dieser Zeit über das Missgeschick eines Filmvorführers zu erzählen. Wenn nämlich plötzlich Zuschauer den Vorführraum stürmen und behaupten, dass sie den Film anders in Erinnerung haben. Es wurde "The Touch" aufgeführt und bei der Szenenabfolge waren auffälligerweise die beiden Hauptdarsteller zuerst miteinander im Bett gelandet und haben sich später wieder gesiezt. Auch bei Bergman wäre dies eine merkwürdige Dramaturgie gewesen.
In diesem konkreten Fall hatte der Filmvorführer beim Umspulen des Films vor der Vorstellung die Film-Akte, sechs Rollen bei einem 2-Stunden-Film, vertauscht und die Filmspulen verkehrt in den Filmschrank sortiert.
Schuld und Sühne: Frauenemanzipation
"Ich weiß, dass ich immer nur und immer wieder eine und dieselbe Situation darstelle, Gott und den Teufel - und was wir tun können, um unser Leid und das der anderen zu lindern", bekannte Bergman bereits als jüngster Theaterchef und jüngster Filmregisseur Schwedens bei der Premiere seines Stückes "Der Tag endet früh".
Bergman wuchs in einem großbürgerlichen, christlichen Elternhaus auf, mitten in der Zeit des Faschismus, dem nach Aussagen Bergmans sein Vater große Sympathie entgegenbrachte. Sein Vater war streng gläubig und autoritär-patriarchal, züchtigte den Sohn und hinterließ bei diesem das bleibende Gefühl der Erniedrigung und der Schuld; Themen, die in Bergman-Filmen immer wieder variiert werden. Als Pendant zum eiskalten Vater schildert Bergman seine Mutter als liebevolle und warmherzige Frau, von der er sich durch den Vater getrennt und zugleich durch ihre Wärme angezogen fühlt, womit auch hierin schon ein wichtiges Thema seiner späteren Filme angelegt scheint. Bergman hat es wie kaum ein zweiter geschafft, sehr spannende Sujets und das Bemühen um das Verständnis der Psyche von Frauen filmisch umzusetzen - erinnert sei an die vielen starken Frauenfiguren, verkörpert von Darstellerinnen wie Harriett Anderson, Bibi Andersson, Ingrid Thulin und Liv Ullmann. Diese Darstellerinnen haben zur damaligen Zeit sehr revolutionär mit dem alten Frauenbild gefallsüchtiger Koketterie im Film aufgeräumt. Ich betone dies, weil in diesem Bios der letzte Film "Fanny und Alexander" angelegt ist.
"Fanny und Alexander ist eine Geschichte, die Chronik einer Familie der Mittelklasse, vielleicht der oberen Mittelklasse, in einer mittelgroßen schwedischen Stadt um 1910, wo man eng zusammenhält. Die mater familias ist die dominierende Großmutter mit ihren drei verheirateten Söhnen". (Ingmar Bergman, zitiert nach www.filmpodium.ch/film/169249/fanny-und-alexander).
Der 10 Jährige Alexander trägt Matrosenanzüge wie der kleine Bergman und er bekommt schließlich eine Laterna magica geschenkt, so wie sich Bergman als kleiner Junge sehnlichst einen Heimkinoapparat gewünscht hatte.
Es war keine komplizierte Maschine. Lichtquelle war eine Petroleumlampe, die Kurbel war mit einem Zahnrad und einem Malteserkreuz verbunden. An der hinteren Schmalseite des Blechgehäuses saß ein einfacher Reflexspiegel. Hinter der Linse befand sich ein Halter für kolorierte Lichtbilder. Zu dem Apparat gehörte auch eine violette Schachtel. Sie enthielt teils einige Glasbilder, teils einen sepisfarbenen Filmstreifen (35 mm). Er war etwa drei Meter lang und zu einer großen Schleife zusammengeklebt. Auf dem Deckel fand sich ein Hinweis: Der Film hieß Frau Holle... Am nächsten Morgen zog ich mich in die geräumige Gaderobe des Kinderzimmers zurück, stellte den Kinematographen auf eine Zuckerkiste, zündete die Petroleumlampe an und richtete die Lichtquelle auf die weißgestrichene Wand. Danach legte ich den Film ein. An der Wand erschien das Bild einer Wiese. Auf der Wiese schlummerte eine junge Frau, die offenbar eine Nationaltracht trug. Als ich die Kurbel betätigte - es lässt sich nicht erklären; ich kann meine Erregung nicht mit Worten beschreiben, kann mir aber jederzeit den Geruch des heißen Metalls ins Gedächtnis zurückrufen, den Duft der Garderobe nach Mottenkugeln und Staub, die Kurbel in meiner Hand, das zitternde Rechteck an der Wand. Ich betätigte die Kurbel. Das Mädchen erwachte, richtete sich auf, erhob sich langsam, streckte die Arme aus, drehte sich um und verschwand nach rechts. Wenn ich weiter kurbelte, lag sie wieder da und wiederholte genau die gleichen Bewegungen. Sie bewegte sich.
Aus: Ingmar Bergman, Mein Leben. Verlag Volk und Welt: Berlin, 2. Auflage, 1987
Die Großmutter Alexanders, Helena Mandelbaum, eine ehemalige Schauspielerin, besitzt ein Theater und bewohnt gemeinsam mit den Familien ihrer drei Söhne ein schönes Haus am Markt. Alexanders Vater Oscar ist nur ein mittelmäßiger Schauspieler, aber wurde von seiner Mutter mit der Leitung des Theaters betraut. Gemeinsam mit dem Theaterensemble feiert die Theaterdynastie gemeinsam Weihnachten. Diese weihnachtliche Idylle wird durch den plötzlichen Tod Oscars, dem Theaterprincipal, getrübt. Sein Tod ist, in den Augen von Alexander, ekelhaft, unversöhnt erschreckend.
Alexander verliert nicht nur seinen Vater und dieses lebensfrohe Familienidyll, sondern zugleich seine Heimat. Seine Mutter wendet sich Gott zu und der Leichenprediger, Bischof Edvard Vergerus, wird ihr enger Vertrauter und heiratet die Mutter übers Jahr. Für Alexander und seine jüngere Schwester beginnt eine freudlose Zeit im kalten Bischofssitz des sadistischen Kirchenmannes, der von einem wütenden Hass besessen scheint. Alexander wird gezüchtigt wegen seiner kindlichen Fantasie. Wie ist dieser Hölle zu entkommen? Es ist die Magie, die Fantasie Alexanders, welche den Kirchenmann in Flammen aufgehen lässt, während gleichzeitig der jüdische Antiquitätenhändler Isak Jacobi, der Geliebte der Großmutter Ekdahl dazu auserkoren ist, die Kinder und die Mutter aus dem christlichen Gotteshaus zu entführen - direkt in die nächtliche und magische Welt seines Trödelladens. Der Spuk ist endlich vorbei. Es gibt wieder das Theater, opulentes sinnliches Leben und die nachsichtig lächelnde Großmutter.
Maria Bergom-Larsson: "Ingmar Bergman och den borgerliga ideologin"
Ingmar Bergmans Filme wurden aus vielfältigen Perspektiven heraus untersucht: religiösen, philosophischen, existenzialistischen, psychologischen, filmwissenschaftlichen und postmodernen. Spannend in diesem Zusammenhang ist die Monographie "Ingmar Bergman och den borgerliga ideologin" aus dem Jahr 1977 von Maria Bergom-Larsson, die mithin zu einem Zeitpunkt erschien, als der marxistische Einfluss auf die Babyboomer-Generationen stark und die junge schwedische Kulturelite auf ihrem Höhepunkt war.
Kritisiert wurde bis dahin Bergmans politische Naivität als Bürgerlicher ohne klassenmäßige Verankerung, der zumeist ein nihilistisches und ahistorisches Weltbild präsentiert. Maria Bergom-Larsson wiederum analysierte die bürgerliche Ideologie als Setting der bürgerlichen Familie mit autoritärer Vaterstellung, also als patriarchalische Ideologie, Bergmans eigene Auffassungen von dessen Rolle in der Gesellschaft und schließlich die Gesellschaft als Außenwelt und antagonistischen Widerspruch zur Intimsphäre. Als wichtiges Momentum charakterisiert Bergom-Larsson in Bergmans Filmen die Angst.
Angst, die allerdings nie in seinen Filmen mit ihren zugrundeliegenden Ursachen reflektiert wird.