Ich habe mir dann auch noch einige Dokumentationen mit Hannah Arendt angeschaut und mir ihr 1955 in deutscher Übersetzung erschienenes Werk "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" wieder zur Hand genommen, denn in diesem hatte sie zum Antisemitismus, dem Imperialismus schließlich noch die Merkmale totaler Herrschaft historisch und kulturell analysiert. Zu unterkomplex erschienen mir in den vergangenen Tagen anno 2025 Formeln aus der Feder von Altmarxisten wie die Anlehnung an die Faschismus-These von Georgi Dimitroff - auf dem Weltkongress der Komitern 1935, wonach "der Faschismus als „terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ beschrieben wurde. In besagtem Text heißt es: "Das Bürgertum sichert ziel- und klassenbewusst seine Macht, und zwar mittels Faschisierung der Gesellschaft. Es tut dies in Deutschland wie in etlichen anderen westlichen Gesellschaften auch, und es hat seine Gründe dafür."
Bemerkungen zu Arendts Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft
In dieser Woche gab es eine Migrationsdebatte im politischen Berlin, die Wochen vor der vorgezogenen Bundestagswahl in der heißen Wahlkampfphase viele Gemüter erhitzte.
Faschisierung der Gesellschaft durch das Bürgertum, das ziel- und klassenbewusst seine Macht sichere? Wie in etlichen anderen westlichen Gesellschaften auch? Nun, in meinen Ohren klang dies nicht mal mehr wie 80er - wohlgemerkt 1980er. Nun sind wir aber bereits in den 20ern des 21. Jahrhunderts und ich meine einiges an geschichtswissenschaftlicher Literatur, auch durch mein MA-Studium (u.a. der Neueren / Neuesten Geschichte) gelesen zu haben , aber diese Annahme einer Faschisierung durch ein imaginäres Bürgertum gehört schon lange nicht mehr zu Erkenntnissen der Faschismustheorien. Vielmehr war es das Kleinbürgertum, das durch die multikausalen Krisen und den Geldverfall vom sozialen Abstieg stark bedroht war, das sich durch die juvenile faschistische Bewegung begeistern ließ.
Auf der anderen Seite erwiesen sich die Demokratien in Großbritannien und den USA so stabil, dass es dort nicht zu einer Faschisierung der Gesellschaft durch das Bürgertum kam. Darüber hinaus waren es die USA und Großbritannien, die an der Seite der Sowjetunion den deutschen Nazis in ihrem Vernichtungskrieg Einhalt geboten haben.
Hannah Arendt und die Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft
Ich halte Hannah Arendts Überlegungen aus ihrem Werk "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft" (1951) mit ihren historischen und kulturellen Herleitungen der faschistischen Bewegung für zielführender.
Arendt argumentiert, dass das totalitäre Nazi-System auf die Kontrolle aller Lebensbereiche abzielte. Dies ist natürlich weiterhin deskriptiv gut anwendbar auf gegenwärtige moderne autoritäre Regime, wie Nordkorea oder auch China. Hannah Arendt beschrieb sehr plastisch und betonte die Rolle von Ideologie und Massenmobilisierung und auch hier kann man in der Gegenwart moderne populistische Bewegungen und Verschwörungstheorien untersuchen.
Als Merkmal faschistischer Bewegungen entwarf sie das Konzept der "atomisierten Massen", die sich durch Propaganda an eine umfassende Ideologie binden lassen. Widerspruch gab es bei der neueren Faschismus- und Diktaturforschung (Robert O. Paxton) bei Hannah Arendts Annahme eines rational durchgeplanten totalitärem System der Nazis - Paxton spricht eher von einem chaotischen und von Konkurrenzkämpfen geprägten Regime. Grundlage der Totalität war die umfassende Ideologie (Rassenlehre der Nazis), die Zerstörung der Individualität (so genannte Atomisierung der Identität: Menschen wurden vereinzelt und ihrer sozialen Bindungen beraubt, so dass sie völlig in der faschistischen Bewegung aufgingen. Und der Terror war das Herrschaftsinstrument des Staates. Willkürherrschaft und Gewalt nicht nur gegen Feinde, sondern potenziell gegen jeden Bürger.
Zu den Merkmalen gehörten der Nationalismus und die "Volksgemeinschaft" als Kitt; das Versprechen zur nationalen Einheit, jenseits von Klassenkämpfen oder parteipolitische Spaltungen. Die faschistische Bewegung brauchte Feindbilder, äußere und innere - "Volksschädlinge" im Kampf "Wir" gegen "sie". Der Personenkult der unfehlbaren Führerfigur, die den "Volkswillen" repräsentierte, gehörte dazu. Gewalt wurde als legitime und reinigende Kraft, das "Recht des Stärkeren" propagiert. Und schließlich gab es das soziale und wirtschaftliche Versprechen des wirtschaftlichen Aufschwungs, Arbeitsplätze und Fortschritt - nach der Weltwirtschaftskrise.
Droht die Gefahr des Faschismus durch das Erstarken der AfD?
Gestartet ist die AfD als eurokritische Partei, die sich in den vergangenen Jahren sehr deutlich nach rechts außen entwickelt hat. Funktionäre fallen vor allem durch nationalistische, fremdenfeindliche und islamkritische Äußerungen auf. Die AfD wird durch den Verfassungsschutz beobachtet und insbesondere der Flügel um Björn Höcke ist als rechtsextrem eingestuft worden. Die Rhetorik der AfD trägt zur Spaltung der Gesellschaft bei und fördert rechtsextremistisches Gedankengut. Hierbei besteht die Gefahr, dass demokratische Normen erodieren und autoritäre Tendenzen gestärkt werden. Die Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel benutzt für die Nebelkerzen, die AfD als demokratische rechtskonservative Partei erscheinen zu lassen, Geschichtsverfälschungen wie die Lüge, die NSDAP sei eine linke Partei gewesen und der Führer Adolf Hitler ein Linker - dies hatte sie in dem Gespräch mit Elon Musk auf dessen Plattform X behauptet. Das ist Geschichtsrevisionismus. In der Talkshow "Caren Miosga" behauptete Alice Weidel, die Reichspogromnacht habe sich gegen Andersdenkende gerichtet - mit einer Parallele zu heutigen Angriffen auf AfD-Parteibüros. Solche reaktionären Geschichtsverfälschungen müsste mit geschichtswissenschaftlich gut recherchiertem Journalismus begegnet werden, aber leider misslingt dies in aktuellen Talkshowformaten, so dass diese noch zu Bühnen für die Lügen von Alice Weidel und AfD-Funktionären werden.
Rückenwind bekam Alice Weidel als Kanzlerkandidatin direkt aus den USA durch Trump und dessen Entourage, bei dessen Amtshandlungen sichtbar wird, woher der Wind weht. Mit China um geostrategische Ressourcen und globale Vormachtstellungen kämpfen. Autoritär den Rechtsstaat in den USA durch Dekrete und mit Elon Musk zurück zu bauen. Eine rechtspopulistische, in Teilen rechtsextreme Partei wie die AfD ist hierbei mit deren destruktiver Strategie ein willkommener Handlanger in der Bundesrepublik, um letztlich Europa zu schwächen.
Quellen:
Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Piper: 2011
Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933-1943 (2 Bände) Aufbau-Verlag: 2000
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