Die Examinierung ist fast geschafft
Die schriftlichen Aufsichtsarbeiten und die mündlichen Prüfungen sind absolviert. Das war eine sehr lange und intensive Lernphase bis Ende Mai 2022, die mit der Bewältigung breit gefächerter Lernfelder verbunden war. Das Handwerk besteht darin, diese Lernfelder mit ihrer Komplexität zu erfassen und auf das Wesentliche zu reduzieren. Im entscheidenden Moment mit den richtigen Prophylaxen, also den Pflegemaßnahmen zu handeln, mit anderen Professionen zu interagieren und den Pflegeprozess einzuleiten. Zur Gesundung, der Verhütung von Krankheiten und der Versorgung und Betreuung kranker und sterbender Menschen sowie von Menschen mit Handicaps.
Diese sehr komplexen Lernfelder beinhalteten die Pflegetheorien und -modelle, Methoden; den riesigen Bereich Pflege mit den Krankheitsbildern aller medizinischen Fachgebiete angefangen bei A wie Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege bis Z wie orthopädischen Erkrankungen bis zu den Zehen wie dem Hallux valgus, einer Erkrankung des Fußskeletts. Die medizinische Diagnostik und Therapie ist daher ein weiteres großes Lernfeld sowie auch umfangreiche Kenntnisse über Lebenswelten und soziale Netzwerke, also Forschungen, die im Bereich der Soziologie und auch der Geschichte verortet sind. Bei den skizzierten Fallbeispielen handelte es sich um Erkrankungen des Bewegungsapparats (schlecht verheilter Oberschenkelhalsbruch), einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), akut aufgetretenem Fieber (Verdacht einer Virusinfektion), diabetischer Fuß mit neuropathischen Empfindungsstörungen und einer Wundversorgung am großen Zeh und schließlich eine pandemische Infektionssituation mit Quarantäne und depressiven Verstimmungen durch die Isolation von der bisherigen Bezugsperson, verbunden mit der Einordnung in Pflegetheorien, der Durchführung und Dokumentation der Pflegeplanung und schließlich auch die Einbindung in Alterstheorien.
Nach den schriftlichen Prüfungen hatten unsere Fachlehrerinnen noch eine Exkursion in die Ausstellung „Körperwelten“ in der Zeitenströmung im Industriegelände organisiert. Neben den faszinierenden Exponaten sind Bildtafeln über die sechs blue zones zu sehen, wo besonders viele über Hundertjährige glücklich leben. Lebenslanges Lernen ist ein Keyword, Optimismus sowie einem Glück, das Krankheit nicht bemisst in Handicaps sondern der Schönheit menschlicher Existenz und deren Diversität im Dasein.
Ich hatte mir bereits seit dem ersten Ausbildungsjahr selbständig Lernkarten verschiedener Wissensgebiete erarbeitet und über die Anatomie und Physiologie, Zellen, Muskeln und Knochen und auch insgesamt über die Kranken- und Altenpflege sehr detailliert dargestellte und gleichzeitig komplex aufbereitete Lernkarteikästen gekauft, so dass ich in der Prüfungsphase auf dieses Kompendium zurückgreifen konnte. Gleich zu Beginn der Ausbildung erlernten wir die wichtigsten Prophylaxen, die ich dann ebenfalls in meiner praktischen Ausbildung in der konkreten Pflege am Bett anwenden konnte. Meine Praxisanleiter:innen förderten diese Wissensvertiefung durch ausgezeichnete Praxisanleitungen von Beginn an: Verbunden mit der Grundpflege wurden die verschiedensten Mobilisierungstechniken (Positionierungen / Lagerungen im Bett als auch Transfers mit Pflegehilfsmitteln) ebenso vermittelt wie auch die wichtigen Prophylaxen bezüglich der Aspiration (zB beim Essen reichen), der Thromboseprävention, Pneumonie, aber auch die Wichtigkeit der Hautbeobachtung bezüglich Intertrigo- und Dekubitusgefahr (letzteres stellt eine große Gefahr bei immobilen Patient:innen dar). Deshalb hatte ich bereits seit dem 1. Lehrjahr alle wichtigen Prophylaxen mit eigenen Lernkarten versehen und war durch die kontinuierliche praktische Arbeit mit den Prophylaxen sicher in der Anwendung selbiger.
Auch zu den Krankheitsbildern hatte ich mir schließlich ein eigenes Ordner bzw. Ordnungssystem erarbeitet: Sämtliche Krankheitsbilder von Kopf bis Fuß fasste ich in einem großen Spezialordner, gegliedert nach den entsprechenden medizinischen Fachbereichen zusammen. Ebenso verfuhr ich mit der medizinisch therapeutischen Diagnostik: Dort kamen noch die diversen Aufzeichnungen zur medizinischen Fachsprache dazu sowie die Erste Hilfe Lektionen, alle Präsentationen und Aufzeichnungen über Injektionen, Wundversorgung, Beatmungs- und Apparatemedizin, Stomaversorgung und das umfangreiche Stoffgebiet Diabetes mellitus. Ein weiterer Ordner umfasste die Pflegetheorien, abgeleitete Modelle, die Pflegeorganisation, die Pflegeplanung und einige Fallbeispiele. Das dritte große Stoffgebiet schließlich – Lebenswelten und soziale Netzwerke – war ebenso systematisch geordnet mit den umfangreichen Abhandlungen aus Geschichte und Soziologie und dort ordnete ich schließlich auch die Alterstheorien zu.
Den sehr umfangreichen Bereich der Demenz, das Stoffgebiet der Palliative Care und die verschiedensten Methoden (bis hin zur Validation nach Richards), wie auch die Pflegestandards und Assessments habe ich schließlich in einem weiteren Ordner zusammengefasst. In meinem Ausgangsordner von 2019 schließlich sammelte ich sämtliche Aufzeichnungen zu Recht, Psychologie, Ethik, Deutsch und Englisch. Einen Extra-Ordner erhielt die Arzneimittelkunde, denn zur begonnenen Datenbank gesellte sich eine sehr umfangreiche Präsentation unserer Klassenlehrerin hinzu.
Bei den mündlichen Abschlussprüfungen handelte es sich um die Lernfelder Pflege, Berufsrolle, Krisen und das Fachgebiet Recht. Also ebenfalls sehr umfangreich. Hier hatte ich mich schließlich noch mal hingesetzt und fertigte extra Lernkarten an, denn bereits das Verschriftlichen der komplexen Inhalte ist eine wirksame Methode der Stoffwiederholung und des Lernens. Intrinsische Lernmotivation hatte ich hinlänglich. Das Lernen macht mir Spaß: Ob es die Komplexität von Krankheitsbildern ist, wo differentialdiagnostisch genau beschrieben werden muss, ähnlich lokal auftretende Symptome zu unterscheiden, um die richtigen Pflegemaßnahmen einzuleiten oder ob es eine – sicher anfangs mühsam zu erarbeitende – Pflegeplanung ist, deren Ziel die Gesunderhaltung oder die Rehabilitation ist bzw. dass sie zur Prävention eingesetzt wird. Pflege ist ein weites Feld, die völlig zu Recht seit einigen Jahrzehnten als Wissenschaft auf Augenhöhe zur Medizin forscht und fortbildet und wirkt. Pflege ist intellektuell und vor allem auch körperlich herausfordernd.
Es wird ja immer noch -vor allem medial, wahrscheinlich aber auch durch den Laienblick der Eindruck vermittelt, bei uns handele es sich um Pfleger:innen, die ausschließlich die basalen Erfahrungen machen, Hilfsbedürftige zu waschen und nach dem Toilettengang das Gesäß abzuwischen. Die das Essen austeilen und eine Art Wärter:innen sind, wie es bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert der Fall war, wo ausschließlich Männer mit zweifelhaften Biographien, ohne Bildung und häufig auch mit Gewalt Aufsicht in Einrichtungen mit Hilfsbedürftigen ausübten. Das Bild ist von vorvorgestern. Eine Zukunft der Pflege benötigt für diese herausfordernden Facharbeiten fachlich sehr gut ausgebildete, motivierte und vor allem auch ethisch und moralisch gebildete Pflegefachkräfte, ansonsten werden die wachsenden Aufgaben der kommenden Jahre nicht bewältigt.
In den mündlichen Prüfungen hatte ich schließlich aus den umfangreichen Losen (das waren sicherlich mehr als 25 pro Fachgebiet) Fallaufgaben zu einer Femurfraktur und Bettlägerigkeit bei stationärem Aufenthalt gezogen (Prophylaxen zur notwendigen Mobilisierung), die geriatrische Rehabilitation (u.a. mit Diabetes mellitus, BZ-Messung und Hypertonie) und schließlich ein Fallbeispiel aus dem Arbeitsrecht; Die Unwirksamkeit einer mündlich ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung, sowie die Schilderung von Kündigungsarten, deren Unterscheidung und welche andere Vorgehensweise der PDL empfohlen werden kann.
Nun folgt noch die praktische Prüfung in wenigen Wochen, wo ich früh am Morgen durch die Prüfungskommission jemanden gelost bekomme, für den ich eine Pflegeplanung schreiben muss, ihn anhand seiner Patientenakte der Kommission vorstelle (biografisch, mit Grunderkrankungen, Diagnosen, Medikation, Prophylaxen) und eine Teilpflege durchführe, wahrscheinlich mehrere medizinische Behandlungspflegen absolviere und schließlich eine Beschäftigung kreiere. Abschließend folgt natürlich die Dokumentation dessen, die Übergabe an die Pflegefachkraft, Desinfektion aller benutzten Instrumente und die Reflexion.
Analysieren Sie die aktuelle Pflegesituation hinsichtlich der Ressourcen und Probleme bzw. Risiken. Leiten Sie relevante Pflegeziele für die Prüfungssituation ab. Erarbeiten Sie schriftlich die Pflegeplanung/ einen Maßnahmeplan für die Durchführung der Pflege einschließlich Beratung, Betreuung und Begleitung. Erstellen Sie einen Ablaufplan und begründen diesen. Führen Sie die umfassende und geplante Pflege einschließlich der Beratung, Betreuung und Begleitung durch. Reflektieren und begründen Sie Ihr pflegerisches Handeln.
Für mich persönlich ist das Lernenkönnen ein Privileg und ungeheuer wichtig.
© Maximilian Kretzschmar, Alle Rechte vorbehalten
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